Grey’s Anatomy: Meredith

Meredith Grey aus Grey’s Anatomy nennt sich selbst die „dunkle und verdrehte“ Meredith. Dabei sind ihre Ängste, inneren Konflikte und Schwierigkeiten mit Beziehungen gar nicht so außergewöhnlich, wie sie scheinbar denkt. 

Wie bei vielen Menschen ist Merediths späteres Leben und die Gestaltung ihrer Beziehungen von den Erfahrungen geprägt, die sie in den ersten Lebensjahren mit ihren Eltern gemacht hat. Diese waren nicht einfach: Ihre Mutter war eine überaus ehrgeizige, aber auch kalte Frau. Ihr Beruf als Chirurgin, in dem sie es dann auch zu großem Ruhm brachte, stand für sie an erster Stelle, erst weit dahinter kamen Mann und Tochter. Ihre eigenen strengen Leistungsansprüche übertrug sie auf Meredith, die kaum je etwas gut genug machen konnte. Merediths spätere Berufswahl und ihr extremer Ehrgeiz, für den sie immer wieder an ethische Grenzen geht, sind Folgen ihrer durch die Mutter vermittelten latenten Selbstzweifel. Merediths Vater verließ schließlich seine unnahbare Ehefrau und ließ damit auch die fünfjährige Tochter mit ihr allein. So lernte Meredith aus den Erfahrungen mit ihren Eltern zwei Dinge über nahe Beziehungen: Wer von der Liebe anderer abhängig ist, ist verletzbar, sei es durch Erniedrigung oder durch Verlassenwerden. 
Jedoch gibt Meredith den Wunsch nach einer Halt und Vertrauen gebenden Beziehung trotz dieser Erfahrungen nicht ganz auf. Das spricht dafür, dass die ersten Jahre mit ihrem Vater gut waren, so dass sie ein Gefühl davon vermittelt bekommen hat, wie wohltuend Liebe und Geborgenheit sein können. Auch deshalb, nimmt sie ihm sein Fortgehen lange Jahre so übel. 
Das frühe Verlassenwerden erklärt auch, warum Meredith auf die zahlreichen späteren Verlusterfahrungen mehrfach mit heftigen und lang anhaltenden Ängsten reagiert, da zusätzlich zu der aktuellen Verzweiflung auch noch die existenzielle Angst des verlassenen Kindes von neuem aktualisiert wird. 
Aufgrund ihrer Kindheitserfahrungen bildet Meredith einen unsicher-ambivalente Bindungsstil aus, das heißt, sie wünscht sich insgeheim nichts sehnlicher, als eine Beziehung, die so sicher und wohltuend ist, wie die frühen Jahre in den Armen des zugewandten und schützenden Vaters. Gleichzeitig hat sie vor nichts mehr Angst, als davor, sich auf eine Beziehung einzulassen, in der sie wieder abhängig und damit verletzbar würde. 
Im Erwachsenenalter äußert sich die unsicher-ambivalente Bindung in einem unbewussten inneren Nähe-Distanz-Konflikt, der Meredith immer wieder dazu bringt, sich auf Beziehungen einzulassen, diese aber dann, aus Angst vor zu viel Nähe, aktiv zu beenden oder passiv zu boykottieren, bis der Partner sie beendet. 
So bleibt auch die große Liebe zu Derek lange Zeit eine On-Off-Beziehung und Meredith weist seine Wünsche und Forderungen nach mehr Verbindlichkeit immer wieder zurück. Sie muss sich zunächst versichern, dass Derek sich, wenn sie ihn nahe an sich heran lässt, nicht ebenso verhalten wird, wie sie es von ihren Eltern gewohnt ist. Diesen Prozess – unbewusst von Eigenschaften und Verhaltensweisen früherer Bezugspersonen auf die von aktuellen zu schließen – nennt man Übertragung.

Im Laufe der Zeit lernen jedoch beide, Kompromisse einzugehen: Derek lernt, Merediths Beziehungsängste zu akzeptieren und schraubt seine eigenen Vorstellungen von Ehe und Romantik zurück, um sie damit nicht zu überfordern. Meredith lernt, Derek zunehmend als eigenständige Person zu sehen und sich in der Beziehung zu ihm weniger von ihren alten Ängsten leiten zu lassen.
So entwickeln sie ihre ganz eigenen Strategien, wie die Post-It-Hochzeit oder die stillen Momente im Aufzug, und machen ihre Beziehung, mit viel Geduld, Mut und Flexibilität, zu etwas Einzigartigem.

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