Terminator 2: Sarah Connor



Sarah Connor gilt, insbesondere in Terminator 2 – Tag der Abrechnung, als eine der stärksten weiblichen Heldenfiguren des Actionkinos. Dennoch befindet sie sich zu Beginn des Films in einer überaus hilflosen Lage, nämlich zwangseingewiesen in einer geschlossenen forensischen Psychiatrie.

[Insgesamt erinnert die Szene: Starke (rothaarige!) Frau mit geheimem Wissen wird von (männlichen) Autoritäten nicht verstanden und dafür bestraft, ein wenig an die Hexenjagden früherer Jahrhunderte.]
Aber zurück zur Psychologie: Sarah Connor erhält von ihren Ärzten die Diagnose Schizoaffektive Störung und soll mit Thorazine behandelt werden. Thorazine ist der amerikanische Handelsname eines Medikaments mit dem Wirkstoff Chlorpromazin. Chlorpromazin gehört zur Arzneimittelgruppe der Neuroleptika und kann zur Behandlung von Wahn und Unruhe im Rahmen von schizophrenen Störungen eingesetzt werden. Insofern wäre eine Thorazine-Therapie ein denkbarer Behandlungsansatz für Sarah Connor – wenn sie denn eine schizoaffektive Störung hätte.
Eine solche wäre nach der internationalen Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10: F25) gekennzeichnet durch das gleichzeitige Auftreten von
  • Symptomen einer Schizophrenie, z.B. Wahn   und
  • Symptomen einer Affektiven Störung, also entweder
    • einer Depression (gedrückte Stimmung, Freudlosigkeit, Antriebsminderung)   oder
    • einer Manie (situationsunangemessen gehobene Stimmung, Gereiztheit, Antriebssteigerung, Größenwahn)
Fairerweise muss man den (zugegebenermaßen so unprofessionellen wie unsympathischen) Behandlern von Sarah Connor zugestehen, dass der Verdacht auf eine wahnhafte Störung naheliegt, wenn eine Patientin steif und fest der Überzeugung ist, von menschengleichen Robotern aus der Zukunft gejagt zu werden, weil sie die Mutter des designierten Retters der Menschheit sei. Tatsächlich scheint dies näher zu liegen, als ihr ihre Geschichte einfach zu glauben. Da sie im Zusammenhang mit diesen Überzeugungen eine Straftat verübt hat (einen Sprengstoffanschlag auf das Cyberdyne-Labor), scheint auch die Unterbringung in einer forensischen Psychiatrie (i.e. einer psychiatrischen Einrichtung für aufgrund ihrer psychischen Erkrankung straffällig gewordene oder schulunfähige Täter) angemessen.
Würde es sich bei ihrer Überzeugung tatsächlich um eine Wahnvorstellung handeln, könnte die Behandlung mit Thorazine ihr diese nehmen und sie vor der Begehung weiterer Straftaten bewahren. Zudem wirkt Chlorpromazin sedierend, also beruhigend und ermüdend, so dass Sarahs ängstlich-gereizte Übererregung, welche die Ärzte als manisches Symptom fehldeuten, dadurch ebenfalls behandelt werden könnte.
So machen sich Sarah Connors Behandler im Film zwar durch ihr unprofessionelles aggressiv-entwertendes Verhalten ihrer Patientin gegenüber schuldig. Diagnosestellung und Behandlungsplan an sich sind jedoch nachvollziehbar, da die Ärzte unmöglich wissen (und kaum glauben) können, dass Sarah die Wahrheit sagt.
Die Rahmenhandlung der Terminator-Reihe wirkt phantastisch genug um davon auszugehen, dass eine Situation wie die von Sarah Connor zu Beginn des zweiten Films in unserer Realität nicht denkbar ist. Andererseits haben sich 2013 nicht wenige Kollegen die Frage gestellt, wie sie wohl reagiert hätten, wenn ihnen ein Patient vor den Enthüllungen Edward Snowdens vom Ausmaß der Geheimdienstüberwachungen berichtet hätte…
Sarah Connor hat also keine schizoaffektive Störung, braucht kein Thorazine und gehört nicht in die forensische Psychiatrie. Unbeschadet überstanden hat sie die Ereignisse des ersten Terminator-Films jedoch auch nicht. Zu Beginn der zweiten Teils zeigt sie die Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung, die durch die folgenden Kriterien definiert wird (ICD-10: F43.1):
  • Ein Erlebnis von außergewöhnlicher Bedrohung, z.B. von einem Terminator gejagt und mehrfach fast getötet zu werden
  • Anhaltende Erinnerungen an das traumatische Erlebnis oder wiederholtes Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen, z.B. Tagträume vom Ende der Welt
  • Innere Bedrängnis in Situationen, die der Belastung ähneln oder damit in Zusammenhang stehen, z.B. unverhofft auf der Flucht aus dem Krankenhaus auf genau das Terminator-Modell zu treffen, von welchem man gejagt und mehrfach fast getötet wurde
  • Erhöhte psychische Sensitivität und Erregung, z.B. Gereiztheit, Schreckhaftigkeit, erhöhte Wachsamkeit, Impulsivität…
Mithilfe ihres Sohnes und des umprogrammierten T-800 kann Sarah ihr Trauma teilweise überwinden. Wer beides nicht zur Hand hat, dem hätte auch mit einer Psychotherapie im ambulanten oder offenen stationären Rahmen (statt geschlossener Forensik), der vorübergehenden Einnahme eines leichten Beruhigungsmittels bei Bedarf (statt neuroleptischer Dauermedikation) und einer therapeutischen Fokussierung auf die Gefühle von Angst und Hilflosigkeit (statt den Wahrheitsgehalt der Geschichte) geholfen werden können.

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