Als der Löwe, der sich selbst für einen Feigling hält, weil er das Gefühl der Angst kennt, Oz, der vorgibt ein Zauberer zu sein, obwohl er nicht zaubern kann, darum bittet ihm Mut zu verleihen und sich diesen so vorstellt, dass man grundsätzlich keine Angst mehr fühlt, antwortet der kluge Oz:
Suits: Harvey Specter (Update S7)
Harvey Specter, der schicke Super-Anwalt aus Suits, zeichnet sich vor allem durch zwei Dinge aus:
- Er ist davon besessen zu gewinnen, wobei es ihm meist nicht primär um den Fall oder den Mandanten geht, sondern um den gegnerischen Anwalt, den er um alles in der Welt besiegen und übertrumpfen muss.
- Harvey ist kompromisslos ehrlich (es sei denn, die Strategie in einem Fall verlangt es vorübergehend anders) und erwartet dies auch von allen, die mit ihm zusammenarbeiten und ihm nahe stehen.
- Wer sich emotional bindet und dadurch abhängig macht, wird verletzlich und kann, wenn es schlecht läuft, als geschlagener Verlierer zurückbleiben.
- Lügen verletzen den Belogenen und verursachen schlimme Schuldgefühle bei demjenigen, der gelogen hat.
Harveys Bemühen alles und jeden zu dominieren um stets Herr der Lage zu sein und sich niemals auf die Güte oder das Mitleid anderer verlassen zu müssen, sowie seine kompromisslose Ehrlichkeit, sind eine direkte (für Harvey unbewusste) Reaktion auf den Schmerz, die Schuldgefühle und die Angst, die er als Sechzehnjähriger durchlitt.
UPDATE – Staffel 5
Den Psychologen kann es nur freuen, dass der doch sehr glatte Harvey der ersten vier Staffeln, der so gut wie jede unerwünschte Gefühlsregung vermeiden zu können scheint, nun etwas differenziertere, weniger souveräne und damit menschlichere Züge bekommt.
Es wird deutlich, dass Harvey, auch wenn er Gefühle wie Nähewünsche, Einsamkeit und Verlustangst sehr umfassend verdrängt, diese, wie jeder Mensch, dennoch hat.
Nach tiefenpsychologischem Verständnis ist die menschliche Psyche bipolar aufgebaut, was uns antreibt ist nie eindimensional: Wir streben nach Selbstverwirklichung und nach Verbundenheit. Nach Kontrolle und nach Anleitung. Nach Unabhängigkeit und nach Versorgung durch andere.
So auch Harvey: Durch Donnas kompromisslose Loyalität und Verehrung musste er sich, trotz der konsequenten Verleugnung seiner Bedürfnisse nach emotionaler Nähe, niemals wirklich alleine fühlen. Bewusst kultivierte er eine Eigen- und Fremdwahrnehmung als unabhängiger, grenzenlos selbstbewusster Draufgänger, der keinerlei sozialen Rückhalts bedarf, während unbewusst vor allem Donna ihm doch die Sicherheit vermitteln konnte, nicht alleine zu sein.
Wie wichtig dieser andere Pol des Abhängigkeits-Unabhängigkeits-Kontinuums auch für Harvey ist, zeigt sich ihm und uns als Zuschauer erst, als die Beziehung zu Donna distanzierter wird, er sie vermutlich sogar ganz zu verlieren fürchtet.
Die lange verdrängten Gefühle von Abhängigkeit und Verlustangst werden durch den drohenden Verlust Donnas verstärkt, darüber hinaus wird vermutlich die Enttäuschung Harveys über den Vertrauensbruch seiner Mutter, welchen er ebenfalls als eine Art Verlassenwerden erlebt hat, aktualisiert, nun, da er erneut fürchten muss, die wichtigste Frau in seinem Leben zu verlieren.
Die verdrängten Ängste drängen immer mehr ins Bewusstsein und manifestieren sich in Form von Panikattacken. Panikattacken sind Anfälle plötzlicher, starker Angst, welche durch eine Vielzahl von Symptomen, beispielsweise Herzrasen, Brustschmerzen, Erstickungsgefühle, Schwitzen, Schwindel oder Entfremdungsgefühle gekennzeichnet sein kann. Treten diese Panikattacken ohne erkennbaren äußeren Auslöser auf, spricht man von einer sogenannten Panikstörung (ICD-10: F41.0). Da äußere Auslöser fehlen und die Betroffenen die inneren/psychischen Auslöser meist nicht direkt bewusst erkennen können, können sich nach den ersten Panikattacken sekundäre Ängste, wie z.B. einen Herzinfarkt zu erleiden, bewusstlos zu werden, oder auch verrückt zu werden, einstellen. So kann ein Teufelskreis der Angst entstehen, bei dem die „Angst vor der Angst“ zu ständiger Wachsamkeit und Schreckhaftigkeit bei kleinsten körperlichen Angstsignalen führt, was wiederum das Auftreten von Panikattacken begünstigt.
Panikstörungen werden entweder kognitiv-verhaltenstherapeutisch behandelt, wobei der Patient über die psychologischen und physiologischen Vorgänge vor und während der Panikattacken aufgeklärt wird und lernt, seine Gedanken und Wahrnehmungen bewusst zu beeinflussen. Atem– und Entspannungsübungen kommen unterstützend zum Einsatz.
Haus des Geldes
- Suche nach Spannung und Abenteuer durch riskante Aktivitäten wie z. B. Extremsport, schnelles Fahren oder auch Banküberfälle
- Suche nach neuartigen, ungewohnten Erfahrungen, z.B. Reisen in ferne Länder, exotisches Essen oder auch sich von einem völlig Fremden für einen absurd riskanten Coup rekrutieren zu lassen
- Tendenz zur Enthemmung, z. B. impulsives, unüberlegtes aggressives oder sexuelles Verhalten
- Unfähigkeit, Monotonie oder Langeweile auszuhalten, z.B. statt erstmal unterzutauchen, mit dem Motorrad mitten durch ein schwer bewaffnetes Polizeiaufgebot zu rasen, nur um wieder dort mittendrin zu sein, wo die Musik spielt
- Deutliche Tendenz, unerwartet und ohne Berücksichtigung der Konsequenzen zu handeln
- Deutliche Tendenz zu Streitereien und Konflikten mit anderen, vor allem dann, wenn impulsive Handlungen unterbunden oder getadelt werden
- Neigung zu Ausbrüchen von Wut oder Gewalt mit Unfähigkeit zur Kontrolle explosiven Verhaltens
- Schwierigkeiten in der Beibehaltung von Handlungen, die nicht unmittelbar belohnt werden
- Unbeständige und launische Stimmung
- Gefühl der eigenen Grandiosität und Wichtigkeit
- Phantasien von Erfolg, Macht, Brillanz, Schönheit oder idealer Liebe
- Überzeugung besonders und einzigartig zu sein und nur von anderen besonderen oder wichtigen Menschen (oder Institutionen) verstanden zu werden oder mit diesen verkehren zu müssen
- Bedürfnis nach exzessiver Bewunderung
- Anspruchsdenken und Erwartung bevorzugter Behandlung
- Ausbeuterische Haltung in zwischenmenschlichen Beziehungen
- Mangel an Empathie
- Neid auf andere und/oder Überzeugung, von anderen beneidet zu werden
- Arrogante und hochmütige Verhaltensweisen oder Ansichten
- Herzloses Unbeteiligtsein gegenüber den Gefühlen anderer
- Deutliche und andauernde verantwortungslose Haltung und Missachtung sozialer Normen, Regeln und Verpflichtungen
- Unfähigkeit zur Aufrechterhaltung dauerhafter Beziehungen, obwohl keine Schwierigkeit besteht, sie einzugehen
- Sehr geringe Frustrationstoleranz und niedrige Schwelle für aggressives, einschließlich gewalttätiges Verhalten
- Fehlendes Schuldbewusstsein oder Unfähigkeit, aus negativer Erfahrung, insbesondere Bestrafung, zu lernen
- Deutliche Neigung, andere zu beschuldigen oder plausible Rationalisierungen anzubieten für das Verhalten, durch welches die Betreffenden in Konflikt mit der Gesellschaft geraten sind
* Mehr zu Haus des Geldes gibt es auch im Charakterneurosen-Podcast
Stephen King: Das Unheimliche
Den Audio-Mitschnitt vom Vortrag gibt es hier