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Gesteigerte Aktivität und Ruhelosigkeit
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Soziale Hemmungslosigkeit mit sozial unangemessenem Verhalten
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Vermindertes Schlafbedürfnis
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Überhöhte Selbsteinschätzung
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Ablenkbarkeit oder andauernder Wechsel von Aktivitäten oder Plänen
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Leichtsinniges, riskantes Verhalten
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Gesteigerte Libido oder sexuelle Taktlosigkeit
True Detective: Ani
Starke weibliche Hauptrollen sind in Mainstreamfilmen und -serien rar gesät. Antigone „Ani“ Bezzerides aus der zweiten Staffel von True Detective bildet hier eine rühmliche Ausnahme.
- Verdrängung: Als Verdrängung wird das (vollständige oder teilweise) Vergessen des Erlebten bezeichnet. Ani scheint sich zwar zu erinnern, dass sie als Kind in der Kommune ihres Vaters sexuell missbraucht worden ist, die Details der Erinnerung scheinen aber zunächst verdrängt zu sein.
- Reaktionsbildung: In der Missbrauchssituation hat sich Ani wehrlos und schwach erlebt. Als Erwachsene arbeitet sie hart daran, sich immer genau gegenteilig zu fühlen. Das nennt die Psychologie Reaktionsbildung. Sie trainiert hart, trägt immer Messer bei sich, ist eher aggressiv als ängstlich. Auch ihre Berufswahl (Polizistin) lässt den Wunsch nach Stärke und Selbstsicherheit erkennen. Über ihre sexuellen Vorlieben erfahren wir nichts genaues, es wird aber in der ersten Folge angedeutet, dass sie auch hier in der Lage ist, ihren Sexualpartner ziemlich einzuschüchtern.
- Projektion: Wir wissen nicht genau, inwieweit Anis Sorge um ihre in der Erotikbranche tätige Schwester berechtigt ist. Sollte es so sein, wie ihre Schwester behauptet, dass sie nämlich selbstbestimmt nur das tut, was sie möchte, könnte Anis Sorge um sie zum Teil eine Projektion sein. Das bedeutet, Ani überträgt ihr eigenes Gefühl, Opfer von sexueller Gewalt geworden zu sein, auf ihre Schwester und kann dann versuchen, diese zu beschützen, nun da sie eine toughe Polizistin ist, während sie sich selbst als kleines Mädchen nicht schützen konnte.
- Sensation Seeking: So nennt man Verhaltensweisen, die zum Ziel haben, ständig starke äußere Reize zu erzeugen um dadurch die Situation zu vermeiden, dass sich die Aufmerksamkeit nach innen und damit möglichen schmerzhaften Gefühlen oder Erinnerungen zuwendet. In Anis Fall sorgt sie durch Trinken, Rauchen, exzessives Arbeiten und Sex dafür, möglichst nicht zu Ruhe zu kommen.
Hand of God: Pernell
- Wahn
- Akustische Halluzinationen in Form von kommentierenden und dialogischen Stimmen
- Optische Halluzinationen
- Gedankeneingebung: Überzeugung dass eigene Gedanken von außen (von Gott) geschickt wurden
- Gedankenabreisen: Unterbrechung des Denkflusses (bei Pernell durch das plötzliche Einschießen von Einfällen im Zusammenhang mit seinem Wahn)
True Detective: Rust
Der True Detective Rustin „Rust“ Cohle ist ein mürrischer Zeitgenosse. Seit dem Unfalltod seiner kleinen Tochter leidet er unter einer chronischen depressiven Störung, die als Dysthymia bezeichnet wird. Diese zeichnet sich nach der internationalen Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10: F34.1) dadurch aus, dass die Symptomatik zwar weniger stark ausgeprägt ist, als bei einer akuten depressiven Episode (ICD-10: F32), dafür aber über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren anhält. In Rusts Fall äußert sich die depressive Symptomatik außerdem auf die für Männer typische Weise, in Form einer sogenannten male depression:
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Dysphorie/Gereiztheit
- Zynismus
- Aggression/Impulsivität
- Dissoziales/delinquentes Verhalten
- Risikoverhalten, Extremsport
- exzessives Arbeiten („Flucht in die Arbeit“)
- Alkohol-/Nikotin-/Drogenmissbrauch
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Starkes Verlangen oder Zwang, die Substanz zu konsumieren
- Verminderte Kontrolle über den Konsum oder erfolglose Versuche, den Substanzkonsum zu verringern oder zu kontrollieren
- Körperliches Entzugssyndrom
- Toleranzentwicklung: Bei fortgesetztem Konsum derselben Menge treten deutlich geringere Effekte auf
- Aufgabe oder Vernachlässigung anderer Interessen. Hoher Zeitaufwand für die Beschaffung und den Konsum der Substanz
- Anhaltender Substanzkonsum trotz schädlicher Folgen
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Negatives Selbstbild
- Negatives Bild von der Welt
- Negative Erwartungen für die Zukunft
Mehr zur ersten Staffel von True Detective gibt es im Charakterneurosen-Podcast zu hören!
The Sixth Sense: Cole
Warum sieht Cole tote Menschen? Oder anders gefragt: Warum hat Cole seine Angst vor Geistern noch nicht überwinden können, wie die meisten anderen Neunjährigen?
Angst vor Geistern (Hexen, Monstern, Krokodilen…) ist Angst vor dem alleine sein. Wenn die Eltern im Zimmer sind, oder hineinkommen, ist die Angst meist schnell wieder weg. So geht es auch Cole: Selbst wenn er die toten Menschen weiterhin sieht, machen sie ihm keine Angst mehr, sobald seine Mutter oder Dr. Crowe im Raum sind.
In dieser Angst vor dem alleine sein spiegelt sich die reale Erfahrung jedes Neugeborenen und Kleinkindes wider, von der Mutter und später auch anderen Erwachsenen existenziell abhängig zu sein. Wenn das Kind dann die Erfahrung macht, von den Erwachsenen verlässlich beschützt und versorgt zu werden, entsteht das sogenannte Urvertrauen. Damit ist eine tendenziell optimistische Haltung gegenüber der Welt, den Menschen und sich selbst gemeint, welche die Grundlage für das Gefühl der Selbstwirksamkeitdarstellt, also die Erwartung, Situationen und auch eigene Emotionen erfolgreich beeinflussen und bewältigen zu können. Ist diese grundlegende Fähigkeit vorhanden, können sich Kinder immer neuen altersspezifischen Ängsten (Entwicklungsaufgaben) stellen und durch deren Bewältigung ein weiteres Stück unabhängiger von den Eltern werden.
Coles Entwicklung aber ist ins Stocken geraten. Er kann die Angst vor dem alleine sein erst im Verlauf des Films überwinden. Bis zu einem gewissen Punkt scheint seine Entwicklung ganz passabel verlaufen zu sein, was dafür spricht, dass er zunächst Gelegenheit hatte, ein grundlegendes Urvertrauen auszubilden, welches dann aber erschüttert wurde.
Vieles spricht für Dr. Crowes Hypothese, dass die ausschlaggebende Situation die Trennung von Coles Eltern war. Sein Vater hat die Familie verlassen und da Cole nicht weiß warum, kann er nicht ausschließen, dass er als Sohn versagt und den Vater enttäuscht hat. Die Mutter wurde daraufhin psychisch krank (wahrscheinlich depressiv), die Behandlung blieb erfolglos. Cole behauptet, sich nicht daran erinnern zu können, ob er bereits vor der Trennung der Eltern tote Menschen gesehen habe. Am wahrscheinlichsten ist, dass er als Kleinkind schonmal Angst vor Geistern oder ähnlichem hatte, diese dann überwunden hat und auf das Trennungstrauma mit Regression, das heißt mit dem Rückfall auf eine frühere emotionale Entwicklungsstufe, reagiert.
Dafür spricht auch, dass Coles kindliche Angst vor Geistern, und seine Hilflosigkeit im Umgang damit, in auffallendem Widerspruch zu seiner Gesamtpersönlichkeit stehen. Wenn er nicht gerade in Panik verfällt, wirkt er ausgesprochen intelligent, eloquent, rational und reflektiert. Kurz: Er wirkt wie ein kleiner Erwachsener.
Das hat einen Grund: Cole ist parentifiziert. Das bedeutet, dass sich die Eltern-Kind-Beziehung zwischen Cole und seiner Mutter umgekehrt hat.
Nach der Trennung der Eltern steht er alleine da, mit einer Mutter, die nicht nur traurig, sondern auch impulsiv, orientierungslos und affektlabil ist – wie ein kleines Kind. Sie schafft es nicht, trotz ihrer eigenen Trauer noch für ihren Sohn da zu sein, sondern erwartet von diesem (zumindest unbewusst), dass er nun statt des treulosen Ehemannes (und des enttäuschenden Psychotherapeuten) für sie da ist. In ihrer Aussage, ihre Gebete seien nie erhört worden und daher müssten Cole und sie nun ihre Gebete gegenseitig erhören, kommt das direkt zum Ausdruck.
Auf die Ängste ihres Sohnes reagiert sie entweder wütend, weil sie sich belogen fühlt, oder selbst hochgradig panisch, was sein Vertrauen in die Bewältigbarkeit von Ängsten weiter schwinden lässt.
Das Muster der Parentifizierung bildet sich auch in der Beziehung zu Dr. Crowe ab. Wegen seiner eigenen Eheprobleme ist er immer wieder versucht, Coles Fall abzugeben. Doch Cole schafft es, Dr. Crowe an sich zu binden, indem er auch diesen dazu bringt, ihm gegenüber die eigenen Probleme offenzulegen, was Dr. Crowe eigentlich als Kunstfehler betrachtet. Dies gelingt Cole durch ebenjene erwachsen wirkende Art, weil sie Dr. Crowe, in seiner eigenen Bedürftigkeit, die Tatsache verdrängen lässt, dass hier ein krankes Kind seine Hilfe braucht, und nicht umgekehrt.
Cole ist kein „Psycho“ (wie ihn die anderen Kinder nennen) weil er Angst vor Geistern hat, sondern weil ihm eine Aufgabe zugemutet wird, die völlig unangemessen und maximal überfodernd ist.
Er bemüht sich nach Kräften, erwachsen und vernünftig zu sein, was bei den Gleichaltrigen naturgemäß nicht gut ankommt. Dass er Mitschüler bezahlt, um der Mutter vorzumachen, er sei integriert, damit diese sich besser fühlt, lässt ihn vor jenen noch verrückter dastehen.
Dass Cole für das ständige Zurückstellen seiner altersgemäßen Bedürfnisse mit kompensatorischen infantilen Ängsten bezahlt, macht ihn noch zusätzlich zum Gespött der Gleichaltrigen, welche den pathologischen Kontrast zwischen der altklugen Ernsthaftigkeit und der bis zur Ohnmacht führenden Panik intuitiv erkennen.
Im Film bewältigt Cole die übergroßen Aufgaben zu guter Letzt: Er erkennt, dass auch die Geister (Wie könnte es anders sein!) nur seine Hilfe wollen, und beginnt damit, sich erfolgreich um sie zu kümmern. Er löst Dr. Crowes Eheprobleme, indem er ihm hilft die Wahrheit zu erkennen. Und er heilt zumindest eine der Wunden seiner Mutter, indem er ihr berichten kann, dass ihre eigene Mutter damals doch bei ihrer wichtigen Schulaufführung gewesen ist.
In Wahrheit wäre es wohl besser gewesen, die Mutter hätte einen zweiten psychotherapeutischen Behandlungsversuch unternommen und so vielleicht die Kraft gefunden, zu Coles Schulaufführung zu kommen.
Der Herr der Ringe: Gollum
Über Gollum wissen wir, von der triologischen Verfilmung des Herrn der Ringe ausgehend, zunächst einmal eines: Er ist getrieben vom Wunsch, den Einen Ring zu besitzen. Dieser Wunsch ist so übermächtig, dass das ganze Leben, die ganze Persönlichkeit Gollums darauf ausgerichtet zu sein scheint. Gollum ist süchtig nach dem Ring.
- Starkes Verlangen oder Zwang, die Substanz zu konsumieren
- Verminderte Kontrolle über den Konsum oder erfolglose Versuche, den Substanzkonsum zu verringern oder zu kontrollieren
- Körperliches Entzugssyndrom
- Toleranzentwicklung: Bei fortgesetztem Konsum derselben Menge treten deutlich geringere Effekte auf
- Aufgabe oder Vernachlässigung anderer Interessen. Hoher Zeitaufwand für die Beschaffung und den Konsum der Substanz
- Anhaltender Substanzgebrauch trotz schädlicher Folgen
Dexter: Dexter
Dexters Drang zu morden begleitet ihn bereits seit der Kindheit und war offenbar niemals über längere Zeit erloschen. Dabei ist er durchaus in der Lage, die Umsetzung für einige Zeit aufzuschieben, zum Beispiel um nach einem geeigneten Opfer zu suchen oder eine günstige Gelegenheit abzuwarten. Dadurch wächst jedoch seine innere Anspannung und es fällt ihm immer schwerer, sich zurückzuhalten. Seine Gedanken engen sich zunehmend auf das Töten ein, bis es ihm kaum noch möglich ist, sich auf anderes zu konzentrieren, um in seinem Alltag zu funktionieren. Mit der Zeit hat er ein festes Ritual entwickelt, das er bei der Tötung seiner Opfer zumeist rigide befolgt und dessen Einhaltung einen maßgeblichen Teil seiner Befriedigung und Erleichterung durch das Morden ausmacht. Wenngleich Dexter seinen Drang als „dunklen Begleiter“ bezeichnet, ist er sich doch im Klaren darüber, dass er aus seinem Inneren, seiner eigenen Psyche entspringt und nicht etwa auf mystische oder magische Weise von außen eingegeben ist. Ebenso realisiert Dexter, dass sein Verhalten extrem ist und von fast allen anderen Menschen nicht akzeptiert, geschweige denn verstanden werden würde. Dexter ist nicht in der Lage, das Morden aufzugeben, wenngleich er dadurch immer wieder in extrem bedrohliche Situationen gerät: Mehrfach steht er kurz davor, erwischt zu werden, was in Florida die Todesstrafe bedeuten würde. Auch Personen die ihm nahe stehen, werden durch seine Aktivitäten gefährdet, mitunter sogar getötet. Nicht zuletzt ist er durch sein Doppelleben permanent extremem Zeitstress und chronischem Schlafmangel ausgesetzt.
Damit können wir Dexter eine Zwangsstörung, bei der Zwangshandlungen, sogenannte Zwangsrituale, im Vordergrund stehen (ICD-10: F42.1), diagnostizieren. Diese ist durch die folgenden Kriterien definiert:
- Zwangsgedanken und/oder Zwangshandlungen treten über einen Zeitraum von mindestens zwei Wochen an den meisten Tagen auf
- Sie werden als Produkte des eigenen Geistes erkannt und nicht als von Personen oder äußeren Einflüssen eingegeben betrachtet
- Sie treten wiederholt auf, werden als unangenehm und zumindest teilweise unangemessen erlebt
- Der Betroffene versucht, sie zu unterdrücken. Mindestens ein Zwangsgedanke oder eine Zwangshandlung kann nicht erfolgreich unterdrückt werden
- Die Zwangshandlung ist an sich nicht angenehm (dies ist zu unterscheiden von einer vorübergehenden Erleichterung von Anspannung oder Angst)
- Die Zwangsgedanken oder Zwangshandlungen verursachen Beschwerden oder soziale Probleme
Erstens war Dexters Mutter akut drogenabhängig. Dies, sowie ihr krimineller Umgang und die Affäre mit einem verheirateten, notorisch fremdgehenden Polizisten, für den sie gleichzeitig als Informantin tätig war, sprechen für eine nicht allzu gefestigte psychische Struktur. Folglich dürften Dexters frühe Beziehungserfahrungen oftmals verwirrend, ängstigend, enttäuschend und verunsichernd gewesen sein, weshalb wir annehmen können, dass seine psychische Struktur zur Zeit des Traumas bereits fragiler und somit störungsanfälliger war, als die von durchschnittlichen Dreijährigen.
Zweitens wurde Dexters Verarbeitung des traumatischen Erlebnisses über Jahre hinweg von seinem Ziehvater Harry, einem Cop alter Schule, geprägt. Dieser enthielt ihm psychotherapeutische Hilfe vor und vermittelte ihm stattdessen sein klassisch dichotomes Verständnis von gut und böse. Unablässig betrieb er die Abspaltung des traumatisierten Anteils als böses „Monster“, welches in Dexters Innerem lauern und in Form des Drangs zu töten an die Oberfläche drängen würde. Er hielt dieses Monster für nicht kontrollierbar und sah somit die einzige Möglichkeit der Schadensbegrenzung für Dexter und die Allgemeinheit darin, den Impuls wenigstens auf die, aus seiner Sicht, richtigen Opfer zu lenken.
Wir dürfen annehmen, dass Harry damit auch eigene Fantasien, die Bösen jenseits gerichtlicher Bürokratie gerecht bestrafen zu können, auf Dexter projizierte.
Dadurch blieb Dexter die Möglichkeit, seine Gefühle und Impulse besser zu verstehen und dadurch das Trauma adäquat zu verarbeiten, verwehrt. In einer Therapie hätte er lernen können zu begreifen, dass durch den brutalen Mord an seiner Mutter seine kindliche Welt in ihren Grundfesten erschüttert wurde. Nichts konnte mehr als sicher gelten. Seine eigene Existenz, sowie alles was er liebte und brauchte, waren in einer Welt, in der etwas so schreckliches geschehen konnte, fundamental bedroht.
Diese Wahrnehmung kann die Seele eines Dreijährigen nicht verkraften, weshalb Dexters Psyche verschiedene Abwehrmechanismen einsetze um ihre Funktionalität irgendwie aufrecht zu erhalten: Erstens spaltete Dexter die Erinnerung an das Trauma über viele Jahre komplett ab, verdrängte das Erlebnis ins Unbewusste. Zweitens, quasi als Schutz vor eventuell doch ans Licht kommenden Erinnerungen, identifizierte sich Dexter unbewusst mit der einzigen Person, die angesichts der unfassbaren Gewalttat nicht um ihr Leben fürchten musste: Dem Mörder.
Das Dilemma, dass die einzige Sicherheit gebende Identifikationsfigur gleichzeitig auch zutiefst ängstigend und verhasst war, wurde durch eine nur unvollständige, gleichsam widerwillige Identifikation gelöst. Psychoanalytiker sprechen von einem „Täterintrojekt“: Dexter nimmt selbst die Rolle des Mörders ein und kann somit (gefühlt) nicht mehr zum Opfer werden.
Gleichzeitig erlebt er den Impuls zu morden aber als etwas störendes, falsches, eigentlich nicht zu ihm passendes. Er legt größten Wert darauf, sich von den anderen Mördern, die Unschuldige umbringen, zu unterscheiden und bringt sie, stellvertretend für den nicht internalisierten Teil des Mörders seiner Mutter, immer wieder um.
Dexter wurde also Opfer, machte sich, um die Opferrolle zu verlassen, selbst zum Täter, und vermeidet die Schuldgefühle eines Täters, indem er die Schuld auf andere Täter projiziert, die er dann zu gerechten Opfern macht.
Die Komplexität dieser Abwehrkonstruktion lässt bereits vermuten, dass das nie lange gut gehen kann. Und tatsächlich, nach jedem Mord dauert es nicht lange, bis der Zwang sich wieder meldet und unaufhaltsam auf Umsetzung drängt. All die verdrängten Gefühle (Angst vor der Destruktivität der Welt, Trauer um die Mutter, Hass auf deren Mörder, Schuldgefühle wegen der eigenen Täterschaft…) drängen ins Bewusstsein und drohen, Dexters sensibles psychisches Gleichgewicht zu zerstören, was ihn immer wieder dazu zwingt, dieses wieder in Ordnung zu bringen.
In seinem Tötungsritual wird das eindrucksvoll deutlich:
- Der ganze Raum wird sorgfältigst mit Plastikfolie ausgekleidet: Das Morden ist hier sauber, fast ein Akt der Reinigung, schmutzig sind die anderen Mörder – nicht Dexter.
- Vor ihrem Tod werden die Opfer mit den Opfern ihrer eigenen Gräueltaten konfrontiert: Dem Bösen wird damit ein fester Ort zugewiesen. Es ist im Anderen zu Hause, nicht bei Dexter.
- Dexter behält von jedem Opfer einen Blutstropfen auf einem Objektträger, welche er, fein säuberlich geordnet, in seiner Wohnung aufbewahrt: Das Opfer wird damit zur Fallnummer, zu einem Stück DNS unter vielen, somit entmenschlicht. Dexter ist ein Sammler, ein Wissenschaftler, so einer ist nicht wirklich böse. Brutale Mörder, und damit schuldig, sind die Anderen.