Game of Thrones: Die Sieben

Schon wieder Game of Thrones? Nun, die fulminante sechste Staffel hat offenbar auch bei mir großen Eindruck hinterlassen. Außerdem eignet sich Game of Thrones, wie wir schon bei der Viersäftelehre gesehen haben, wunderbar für die Anwendung älterer, etwas mystischerer Theorien.

Bei weitem nicht so alt wie Hippokrates‘ lange überholte Lehre von den vier Körpersäften, aber in der modernen Psychotherapie gleichwohl nur noch selten anzutreffen, sind die klangvollen, spirituellen, fast märchenhaft schönen Theorien Carl Gustav Jungs, Sigmund Freuds bekanntesten Schülers.

Eines der populärsten Konzepte Jungs ist das kollektive Unbewusste. In Ergänzung zum persönlichen Unbewussten, in welchem sich verdrängte Gedanken, Gefühle und Erinnerungen einer Person finden, geht Jung von der zusätzlichen Existenz eines allen Menschen gemeinsamen Unbewussten, in welchem allgemeine gedanklich-emotionale Grundmuster, die sogenannten Archetypen, unabhängig von den persönlichen Erfahrungen eines Menschen, bereits angelegt sind. Das kollektive Unbewusste verbindet und prägt somit alle Menschen, wird aber durch sie auch beeinflusst und verändert.

In Game of Thrones wird die Idee des kollektiven Unbewussten in der Gestalt des dreiäugigen Raben aufgegriffen. Als Bran zum dreiäugigen Raben wird, erhält er auf magische Weise Zugang zu Erinnerungen, die nicht seine eigenen sind, die aber offenbar im kollektiven Unbewussten von Westeros bewahrt wurden.
Derlei magische Fähigkeiten sind in unserer Realität unwahrscheinlich und auch C. G. Jung hätte sie nicht vorausgesetzt. Aber auch schon lange bevor Bran diese Fähigkeit versteht und zu kontrollieren lernt, scheinen sich ihm Inhalte aus dem kollektiven Unbewussten in Träumen, Tagträumen und Visionen aufzudrängen, ebenso wie auch anderen, z.B. Jojen Reed. Vielleicht auch Melisandre, allerdings könnte sie auch einfach nur eine religiöse Fanatikerin sein.

Apropos religiöse Fanatiker: In der Religion der Sieben, welche ja bis zum Ende der sechsten Staffel immer größere Bedeutung gewinnt, ist ein weiteres Konzept C. G. Jungs verarbeitet: Die Lehre von den Archetypen.
Jung ging davon aus, dass sich die personen- und generationenübergreifenden Grundmuster menschlichen Fühlens regelmäßig in Form bestimmter typischer Symbole, der Archetypen, Ausdruck verleihen.

In den sieben neuen Göttern von Westeros können wir klassische jungsche Archetypen erkennen, die uns auch aus den Märchen, Mythen und Religionen unserer Welt vertraut sind. Und da Game of Thrones selbst als veritabler Mythos unserer Zeit gelten kann, sind dieselben Archetypen auch in den Charakteren der Serie verkörpert.

  1. Der Vater, der für Recht, Ordnung und Gerechtigkeit steht: Ned Stark, Jeor Mormont.
  2. Die Mutter als Symbol für Fruchtbarkeit, Fürsorge und Barmherzigkeit: Catelyn Stark und immer mehr auch Daenerys Targaryen.
  3. Die Jungfrau, die Unschuld, Liebe und Schönheit verkörpert: Sansa, Margaery, Gilly und Talisa. Meist verliert die Jungfrau irgendwann ihre Unschuld, was ihr dann zum Verhängnis wird.
  4. Die alte Weise, welches für Weisheit und Vorsehung steht: Olenna Tyrell, Melisandre und diverse Hexen und Wahrsagerinnen.
  5. Der Krieger, der Mut und Tapferkeit symbolisiert: Allen voran Jon Snow. Aber auch Brienne und Arya.
  6. Der Schmied, zuständig für Arbeit, Fleiß und Talent: Gendry, Davos und Sam.
  7. Und schließlich: Der Fremde, der im Glauben der Sieben den Tod darstellt, aber auch für das Unbekannte und Ungewisse steht und den wir aus anderen Mythen auch in Gestalt des Teufels, des Schattens oder des listigen Schelms kennen. In Game of Thrones begegnet er uns in Form der Whitewalker. Aber auch undurchsichtiger und schelmischer Charaktere wie Tyrion, Littlefinger und Jaqen H’ghar.

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