Wenn Howard Wolowitz aus The Big Bang Theory Barney Stinson aus How I Met Your Mother kennen würde, wäre dieser wohl sein Vorbild. Ein reicher Playboy mit scheinbar grenzenlosem Selbstvertrauen, dessen verwegene Verführungsstrategien ihn in die Betten zahlloser schöner Frauen gebracht haben.
Was die beiden, neben diesem Männlichkeitsideal, gemeinsam haben, ist die Tatsache, dass sie ohne Vater aufgewachsen sind. Auch gab es keine Stiefväter oder andere väterliche Ersatzfiguren. Howard ist alleine mit seiner Mutter aufgewachsen, Barney mit seiner Mutter und seinem nicht wesentlich älteren Halbbruder.
Howard und Barney blieben in der Kindheit ihre Mütter als einzige erwachsene Bezugspersonen. Zu Beginn des Lebens ist jedes Kind von seiner Mutter abhängig, die sein Überleben sichert, indem sie Nahrung, Wärme und Nähe spendet. Darüber hinaus lieben die meisten Mütter ihre Babys abgöttisch.
Sowohl die vollkommene Versorgung, als auch die bedingungslose Liebe, sind für ein Kind zunächst existenziell notwendig. In der weiteren Entwicklung ist es aber ebenso wichtig, dass das Kind lernt, sich physisch und emotional zunehmend selbst zu versorgen und auch die eigenen Grenzen und Schwächen kennenzulernen, um schließlich zu einer realistischen Einschätzung der eigenen Fähigkeiten zu gelangen.
Diese Funktion fällt häufig dem Vater zu, der in den ersten Lebensmonaten nach und nach an Bedeutung gewinnt. Man nennt diesen Vorgang des Hinzutretens des Vaters in die ursprünglich dyadische Mutter-Kind-Beziehung Triangulierung. Durch die Erweiterung der Zweier- in eine Dreierbeziehung, kommt es zum sogenannten Ödipuskomplex (nach der griechischen Sage von Ödipus, der unwissentlich seinen Vater ermordete und seine Mutter heiratete): Der Sohn möchte die Mutter, den bisherigen Dreh-und-Angelpunkt seiner Existenz, weiterhin für sich alleine haben und beginnt mit dem Vater um ihre Liebe zu konkurrieren. Ist die Beziehung der Eltern intakt, muss der Sohn erleben, dass die Mutter ihrerseits eigene Liebesbedürfnisse an den Vater hat und er mit dessen Männlichkeit nicht mithalten kann. Allerdings bietet der Vater auch die Möglichkeit an, sich durch die Hinwendung zu ihm ein Stück weit aus der existenziellen Abhängigkeit von der Mutter zu befreien. Orientiert sich der Sohn an seinem Vater, kann er lernen, was es heißt ein Mann zu sein, welche Stärken und Schwächen das mit sich bringt, wie man diese realistisch einschätzen und zielführend einsetzen kann. Die Niederlage im Konkurrenzkampf mit dem Vater erschließt dem Sohn den Zugang zu einer weiteren bedeutsamen Beziehungs- und Identifikationsfigur. Gelingt diese erste Triangulierung, wird der Ödipuskomplex bewältigt und der Sohn gewinnt die Fähigkeit, Rückschläge und Kränkungen zu verkraften, sich selbst realistisch einzuschätzen, sich in Gruppen zurechtzufinden und ein gesundes Mittelmaß zwischen der Durchsetzung eigener Bedürfnisse und dem Respekt vor denen anderer zu entwickeln.
All das gelingt Howard und Barney nicht. Beide phantasieren sich ein einseitiges, idealisiertes und völlig unrealistisches Männerbild zusammen, wahrscheinlich geprägt von medialen Klischees (wie dem Showmaster, den Barney für seinen Vater hält und den Superhelden, die Howard verehrt) und müssen ständig hart und immer wieder vergeblich darum kämpfen, dieses selbst zu erfüllen.
Gleichzeitig bleiben beide in der kindlichen emotionalen Abhängigkeit von ihren Müttern gefangen, was wiederum mit dem eigenen Selbstbild als Super-Mann völlig unvereinbar ist. Mit diesem Widerspruch gehen die beiden unterschiedlich um:
Barney idealisiert seine Mutter und blendet alle ihre negativen und amoralischen Seiten vollständig aus. Da er ihr absolute Reinheit und Sittlichkeit zuschreibt, geht er davon aus, dass sie diese auch von ihm erwartet und spielt ihr seinerseits ein klischeehaft heiles Familienleben vor.
Den Zorn darüber, sich noch immer von ihrem Urteil abhängig zu fühlen, das Minderwertigkeitsgefühl angesichts des eigenen Scheiterns an ihren (vermeintlich) hohen moralischen Ansprüchen und die Scham über ihren (von Barney unbewusst erahnten) liederlichen Lebenswandel, agiert Barney kompensatorisch an allen anderen Frauen aus, indem er diese verletzt, manipuliert und zu entmenschlichten Trophäen macht. Man nennt diesen Abwehrmechanismus Spaltung und er tritt nicht selten bei Männern mit ungelöstem Ödipuskonflikt auf, die, wie Barney, die Frauenwelt radikal in Huren und Heilige aufspalten.
Während Barney es durch Spaltung schafft, sich zumindest äußerlich von seiner Mutter abzulösen, bleibt Howard auch physisch im Einflussbereich der seinen gefangen. Vielleicht, weil er in der Betäubung der eigenen Selbstzweifel durch Männlichkeitsrituale (One Night Stands, Geldverdienen und jeder Art von Wettbewerb) so viel weniger erfolgreich ist, als Barney. Die Welt außerhalb des mütterlichen Heims ist für ihn tatsächlich härter und verletzender. Das Gefühl des Säuglings, ohne die Mutter ein Nichts zu sein, ist in seinem Leben deutlicher präsent, wenngleich es unbewusst auch Barney um- und antreibt.
Da es Howard nicht gelingt, seine Mutter zu verlassen, kann er sie auch nicht aus sicherer Distanz idealisieren. Vielmehr bringen ihn ihre ständige Einmischung und die Tatsache, dass er selbst zu schwach ist, sich gegen diese abzugrenzen, andauernd zu Weißglut.
Eine ähnliche Ambivalenz (Abhängigkeit vs. Abneigung) dürfte auch seine Mutter quälen: Einerseits ist sie enttäuscht darüber, dass ihr Sohn ein undankbares und verwöhntes Muttersöhnchen geblieben ist, andererseits scheint sie große Angst davor zu haben, dass er sie eines Tages doch verlassen könnte (wie es sein Vater bereits getan hat), was für sie, als körperlich unattraktive und sozial äußerst ungeschickte Person, wohl ein Leben in völliger Einsamkeit bedeuten würde. So können Howard und seine Mutter nicht ohne-, aber auch nicht gut miteinander, führen das Leben eines zänkischen alten Ehepaares und geben jeweils dem anderen die Schuld dafür.
Die Lösung für Barneys und Howards Probleme mit dem Mann-Sein erscheint, oh Wunder, in Frauengestalt: Robin ist weder Hure noch Heilige. Sie bietet Barney die Stirn, gibt ihm Raum für seine wahren, sentimentalen Gefühle, schätzt und teilt aber auch einige seiner forciert männlichen Marotten.
Der (innerlich und äußerlich) kleine Howard darf sich bei der (äußerlich) noch kleineren Bernadette als ganzer Kerl fühlen, die zudem (innerlich groß und stark) an seiner statt seine übergriffige Mutter in die Schranken weist.
Also, Ende gut, alles gut?
Oder hat Tyler Durden aus dem Film Fight Club recht: „Wir sind eine Generation von Männern, die von Frauen groß gezogen wurde. Ich frage mich ob noch eine Frau wirklich die Antwort auf unsere Fragen ist“?