Mr. Robot: Elliot
Elliot Alderson aus Mr. Robot hat zunächst eine recht typische soziale Phobie, das heißt er hat Angst vor sozialen Situationen, also Essenseinladungen, Small-Talk usw. In der internationalen Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10: F40.1) ist diese durch die folgenden Symptome definiert:
- Deutliche Furcht im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen oder sich peinlich oder erniedrigend zu verhalten
- Deutliche Vermeidung im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen oder von Situationen, in denen die Furcht besteht, sich peinlich oder erniedrigend zu verhalten
- Mindestens zwei Angstsymptome in den gefürchteten Situationen, z.B. Erröten, Zittern, Schwitzen etc.
- Deutliche emotionale Belastung durch die Angstsymptome oder das Vermeidungsverhalten.
- Einsicht dass die Symptome oder das Vermeidungsverhalten übertrieben und unvernünftig sind
- Die Symptome beschränken sich ausschließlich oder vornehmlich auf die gefürchteten Situationen oder auf Gedanken an diese
- Starkes Verlangen, die Substanz zu konsumieren
- Verminderte Kontrolle oder Kontrollverlust über Beginn, Beendigung oder Menge des Konsums
- Körperliche Entzugserscheinungen, wenn die Substanz reduziert oder abgesetzt wird
- Toleranzentwicklung, d.h. es müssen immer größere Mengen konsumiert werden, um den gewünschten Effekt zu erzielen
- Gedankliche Einengung auf den Konsum, d.h. Aufgabe oder Vernachlässigung von Interessen und Verpflichtungen
- Fortgesetzter Substanzkonsum trotz eindeutig schädlicher Folgen
- Zwei oder mehr unterschiedliche Persönlichkeiten innerhalb eines Individuums, von denen zu einem bestimmten Zeitpunkt jeweils eine in Erscheinung tritt
- Jede Persönlichkeit hat ihr eigenes Gedächtnis, ihre eigenen Vorlieben und Verhaltensweisen und übernimmt zu einer bestimmten Zeit, auch wiederholt, die volle Kontrolle über das Verhalten der Betroffenen
- Unfähigkeit, wichtige persönliche Informationen zu erinnern
- Überzeugender zeitlicher Zusammenhang zwischen den Symptomen und belastenden Ereignissen, Problemen oder Bedürfnissen
Dass Elliots multiple Persönlichkeitsstörung ausbricht, hängt maßgeblich mit der Angst und dem Stress zusammen, die er aufgrund seiner sozialen Phobie hat. Auch der Drogenmissbrauch könnte hierzu beigetragen haben. Als er sich immer mehr einsam, verlassen und überfordert fühlt, spaltet er einen Teil seiner Persönlichkeit unbewusst innerlich ab. Dieser Persönlichkeitsanteil erhält die Gestalt seines Vaters, vor dem er zwar große Angst hat, den er aber auch als stark und mächtig erlebt hat. Ohne es zu wissen, erhofft er sich von seinem Vater, dass diese seine Probleme löst und die großen Herausforderungen bewältigt.
Monk: Adrian Monk
Adrian Monks Biographie ist durch mehrere schwere Verlusterlebnisse gekennzeichnet, die in ihm eine tiefe Verunsicherung und Angst sowie ein überwertiges Bedürfnis nach Sicherheit und Verlässlichkeit ausgelöst haben. Psychopathologisch schlägt sich dies in der Kombination einer Phobischen Störung und einer Zwangsstörung nieder.
Orange Is the New Black: Mr. Caputo
In der dritten Staffel von Orange Is the New Black lernen wir Gefängnisdirektor Joe Caputo besser kennen und erfahren unter anderem – Achtung: Spoiler 😉 – dass er nicht in Gegenwart anderer Pinkeln kann. Dieses Phänomen – Paruresis genannt – ist gar nicht mal so selten. Schätzungen zufolge sind ca. sieben Prozent der Bevölkerung betroffen, neun von zehn Betroffenen sind Männer.
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Furcht vor bestimmten sozialen Situationen, oft im Zusammenhang mit einer befürchteten sozialen Bewertung
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Vermeidung der angstbesetzten Situation
So vermeidet es auch Mr. Caputo gleichzeitig mit anderen Männern am Urinal zu stehen und muss, falls es doch passiert, die Situation unter fadenscheinigen Ausreden und unverrichteter Dinge wieder verlassen.
The Sixth Sense: Cole
Warum sieht Cole tote Menschen? Oder anders gefragt: Warum hat Cole seine Angst vor Geistern noch nicht überwinden können, wie die meisten anderen Neunjährigen?
Angst vor Geistern (Hexen, Monstern, Krokodilen…) ist Angst vor dem alleine sein. Wenn die Eltern im Zimmer sind, oder hineinkommen, ist die Angst meist schnell wieder weg. So geht es auch Cole: Selbst wenn er die toten Menschen weiterhin sieht, machen sie ihm keine Angst mehr, sobald seine Mutter oder Dr. Crowe im Raum sind.
In dieser Angst vor dem alleine sein spiegelt sich die reale Erfahrung jedes Neugeborenen und Kleinkindes wider, von der Mutter und später auch anderen Erwachsenen existenziell abhängig zu sein. Wenn das Kind dann die Erfahrung macht, von den Erwachsenen verlässlich beschützt und versorgt zu werden, entsteht das sogenannte Urvertrauen. Damit ist eine tendenziell optimistische Haltung gegenüber der Welt, den Menschen und sich selbst gemeint, welche die Grundlage für das Gefühl der Selbstwirksamkeitdarstellt, also die Erwartung, Situationen und auch eigene Emotionen erfolgreich beeinflussen und bewältigen zu können. Ist diese grundlegende Fähigkeit vorhanden, können sich Kinder immer neuen altersspezifischen Ängsten (Entwicklungsaufgaben) stellen und durch deren Bewältigung ein weiteres Stück unabhängiger von den Eltern werden.
Coles Entwicklung aber ist ins Stocken geraten. Er kann die Angst vor dem alleine sein erst im Verlauf des Films überwinden. Bis zu einem gewissen Punkt scheint seine Entwicklung ganz passabel verlaufen zu sein, was dafür spricht, dass er zunächst Gelegenheit hatte, ein grundlegendes Urvertrauen auszubilden, welches dann aber erschüttert wurde.
Vieles spricht für Dr. Crowes Hypothese, dass die ausschlaggebende Situation die Trennung von Coles Eltern war. Sein Vater hat die Familie verlassen und da Cole nicht weiß warum, kann er nicht ausschließen, dass er als Sohn versagt und den Vater enttäuscht hat. Die Mutter wurde daraufhin psychisch krank (wahrscheinlich depressiv), die Behandlung blieb erfolglos. Cole behauptet, sich nicht daran erinnern zu können, ob er bereits vor der Trennung der Eltern tote Menschen gesehen habe. Am wahrscheinlichsten ist, dass er als Kleinkind schonmal Angst vor Geistern oder ähnlichem hatte, diese dann überwunden hat und auf das Trennungstrauma mit Regression, das heißt mit dem Rückfall auf eine frühere emotionale Entwicklungsstufe, reagiert.
Dafür spricht auch, dass Coles kindliche Angst vor Geistern, und seine Hilflosigkeit im Umgang damit, in auffallendem Widerspruch zu seiner Gesamtpersönlichkeit stehen. Wenn er nicht gerade in Panik verfällt, wirkt er ausgesprochen intelligent, eloquent, rational und reflektiert. Kurz: Er wirkt wie ein kleiner Erwachsener.
Das hat einen Grund: Cole ist parentifiziert. Das bedeutet, dass sich die Eltern-Kind-Beziehung zwischen Cole und seiner Mutter umgekehrt hat.
Nach der Trennung der Eltern steht er alleine da, mit einer Mutter, die nicht nur traurig, sondern auch impulsiv, orientierungslos und affektlabil ist – wie ein kleines Kind. Sie schafft es nicht, trotz ihrer eigenen Trauer noch für ihren Sohn da zu sein, sondern erwartet von diesem (zumindest unbewusst), dass er nun statt des treulosen Ehemannes (und des enttäuschenden Psychotherapeuten) für sie da ist. In ihrer Aussage, ihre Gebete seien nie erhört worden und daher müssten Cole und sie nun ihre Gebete gegenseitig erhören, kommt das direkt zum Ausdruck.
Auf die Ängste ihres Sohnes reagiert sie entweder wütend, weil sie sich belogen fühlt, oder selbst hochgradig panisch, was sein Vertrauen in die Bewältigbarkeit von Ängsten weiter schwinden lässt.
Das Muster der Parentifizierung bildet sich auch in der Beziehung zu Dr. Crowe ab. Wegen seiner eigenen Eheprobleme ist er immer wieder versucht, Coles Fall abzugeben. Doch Cole schafft es, Dr. Crowe an sich zu binden, indem er auch diesen dazu bringt, ihm gegenüber die eigenen Probleme offenzulegen, was Dr. Crowe eigentlich als Kunstfehler betrachtet. Dies gelingt Cole durch ebenjene erwachsen wirkende Art, weil sie Dr. Crowe, in seiner eigenen Bedürftigkeit, die Tatsache verdrängen lässt, dass hier ein krankes Kind seine Hilfe braucht, und nicht umgekehrt.
Cole ist kein „Psycho“ (wie ihn die anderen Kinder nennen) weil er Angst vor Geistern hat, sondern weil ihm eine Aufgabe zugemutet wird, die völlig unangemessen und maximal überfodernd ist.
Er bemüht sich nach Kräften, erwachsen und vernünftig zu sein, was bei den Gleichaltrigen naturgemäß nicht gut ankommt. Dass er Mitschüler bezahlt, um der Mutter vorzumachen, er sei integriert, damit diese sich besser fühlt, lässt ihn vor jenen noch verrückter dastehen.
Dass Cole für das ständige Zurückstellen seiner altersgemäßen Bedürfnisse mit kompensatorischen infantilen Ängsten bezahlt, macht ihn noch zusätzlich zum Gespött der Gleichaltrigen, welche den pathologischen Kontrast zwischen der altklugen Ernsthaftigkeit und der bis zur Ohnmacht führenden Panik intuitiv erkennen.
Im Film bewältigt Cole die übergroßen Aufgaben zu guter Letzt: Er erkennt, dass auch die Geister (Wie könnte es anders sein!) nur seine Hilfe wollen, und beginnt damit, sich erfolgreich um sie zu kümmern. Er löst Dr. Crowes Eheprobleme, indem er ihm hilft die Wahrheit zu erkennen. Und er heilt zumindest eine der Wunden seiner Mutter, indem er ihr berichten kann, dass ihre eigene Mutter damals doch bei ihrer wichtigen Schulaufführung gewesen ist.
In Wahrheit wäre es wohl besser gewesen, die Mutter hätte einen zweiten psychotherapeutischen Behandlungsversuch unternommen und so vielleicht die Kraft gefunden, zu Coles Schulaufführung zu kommen.
The Big Bang Theory: Raj
Der Astrophysiker Dr. Rajesh „Raj“ Koothrappali kann nur mit Frauen sprechen, wenn er betrunken ist, oder denkt, es zu sein. Ausnahmen sind enge Verwandte, wie seine Mutter und seine Schwester.
- Nachweisbare beständige Unfähigkeit, in bestimmten sozialen Situationen, in denen dies erwartet wird, zu sprechen. In anderen Situationen ist das Sprechen möglich
- Dauer des elektiven Mutismus länger als vier Wochen
- Es liegt keine tiefgreifende Entwicklungsstörung vor
- Sprachausdruck und Sprachverständnis liegen im altersentsprechenden Normalbereich.
- Die Störung beruht nicht auf fehlenden Kenntnissen der gesprochenen Sprache, die in den sozialen Situationen erwartet wird
- Deutliche Furcht im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen oder sich peinlich oder erniedrigend zu verhalten
- Deutliche Vermeidung im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen oder von Situationen, in denen die Furcht besteht, sich peinlich oder erniedrigend zu verhalten
- Mindestens zwei Angstsymptome in den gefürchteten Situationen, z.B. Erröten oder Zittern etc.
- Deutliche emotionale Belastung durch die Angstsymptome oder das Vermeidungsverhalten.
- Einsicht dass die Symptome oder das Vermeidungsverhalten übertrieben und unvernünftig sind
- Die Symptome beschränken sich ausschließlich oder vornehmlich auf die gefürchteten Situationen oder auf Gedanken an diese
Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass Rajs Ängste sich auf Frauen und die Beziehungsaufnahme mit ihnen konzentrieren: Rajs erste und bisher wichtigste weibliche Bezugsperson war seine Mutter, welche ihn im Laufe seines Lebens immer wieder kritisiert, beschämt und gekränkt hat und ihn sich ständig unzureichend fühlen lässt.