Meine Top 3 Serien 2024

Zum Ende des Jahres kommen hier meine persönlichen Top 3 Serien aus 2024

3. The Bear – King of the Kitchen (Disney+)

The Bear – Kind of the Kitchen ist kein leichter Genuss, sondern schwere, gehaltvolle Kost. Nicht nur auf der Inhaltsebene erzählt die Serie von traumatisierten und traumatisierenden Familienbeziehungen, die von Generation zu Generation weitergegeben werden. Auch „Look an Feel“ der Serie selbst, sind geprägt von Gefühlen, Erlebens- und Verhaltensweisen, die charakteristisch sind für Traumafolgestörungen, insbesondere sog. Entwicklungstraumata (also solche, die eher nicht durch ein katastrophal einschneidendes Ereignis, wie z.B. einen Verkehrsunfall oder eine Naturkatastrophe, sondern durch anhaltende belastende Bedingungen in der Kindheit, wie instabile, aggressive oder abwesende Bezugspersonen). Die Atmosphäre ist geprägt durch das ständige Erleben von Anspannung, Druck, Angst etwas falsch zu machen/zu versagen. Nicht selten entlädt sich diese Anspannung in impulsiver Aggression gegen andere oder sich selbst, was weitere Belastungen und schlimmstenfalls Traumata verursacht. Hauptcharakter Carmen (gespielt von dem von mir bereits als Lip in Shameless verehrten Jeremy Allen White) erlebt zudem noch regelmäßig Intrusionen (quälende Erinnerungen und innere Stimmen) als Folge seiner traumatischen Erlebnisse in einer Lehrküche. In der Psychotraumatologie nennt man den Zustand eines chronisch übererregten Nervensystems Hyperarousal (Wikipedia): Das Gehirn, welches in der Vergangenheit die Erfahrung immer wiederkehrender Bedrohung/Verletzung gemacht hat, bleibt permanent angespannt, um auf mögliche erneute Bedrohungen schnell mit Kampf- oder Fluchtverhalten reagieren zu können. Allerdings führt dies auf Dauer mit hoher Wahrscheinlichkeit zu diversen negativen Folgesymptomen, wie Nervosität/Hektik/Fehlern, erhöhter Schreckhaftigkeit und Kränkbarkeit, zwischenmenschlicher Aggressivität, Erschöpfung/Schlafstörungen/Burn-Out, kompensatorischem Substanzkonsum und am Ende gar Suizidalität. In The Bear werden uns diese tragischen Teufelskreise, das Leid das sie für alle Beteiligten bedeuten und die Anstrengung, die es bedarf, sich daraus zu lösen, nicht nur erzählt, sondern wir können sie regelrecht mitempfinden. Nicht wirklich ein Vergnügen und sicher nicht zu empfehlen für Menschen, die selbst komplex traumatisiert oder anderweitig akut psychisch belastet sind – aber ansonsten fesselndes, lehrreiches und faszinierendes Fernsehen.

2. Para – Wir sind King (Amazon prime)

Im Berlin-Universum des damals völlig zurecht gehypten deutschen Gangster-Epos 4 Blocks, spielt die Spin-Off-Serie Para – Wir sind King, bei der diesmal nicht starke Männer, sondern vier nicht minder starke junge Frauen im Mittelpunkt stehen. Diese haben mit allerhand gesellschaftlichen Benachteiligungen und Vorurteilen zu tun: Frau-Sein, Armut, Migrationshintergrund. Die Serie ist mit den vier großartigen Hauptdarstellerinnen, aber auch einer Vielzahl faszinierender Nebenrollen, erstklassig besetzt und schafft es so, überzeugend nicht nur die Lebensumstände, sondern auch die Gefühlswelt der Protagonistinnen zu erzählen. Dabei wird besonders deutlich, wie sehr das normabweichende und teils strafbare Verhalten der Vier, immer wieder aus dem Versuch entsteht, mit den materiellen, sozialen und emotionalen Folgen der bereits zuvor erfolgten Diskriminierung, Kränkung, Benachteiligung und Verletzung umzugehen, trotz diesen zu überleben. Hier zeigt sich uns der sozialpsychologische Etikettierungsansatz (bekannter als labeling approach, Wikipedia), nach dem normabweichendes, z.B. kriminelles, Verhalten eine Reaktion auf entsprechende Zuschreibungen als außerhalb bzw. unterhalb der Norm stehend sein kann. Als die Protagonistin Fanta zum Beispiel aggressiv auf die wiederholten subtil rassistischen Äußerungen ihres Lehrers reagiert, der sie aufgrund ihrer Hautfarbe als weniger intelligent und leistungsmotiviert vorverurteilt, scheint sich in ihrer Reaktion genau dieses Vorurteil zu bestätigen. Tatsächlich aber ist ihr Ausraster und der daraufhin fast folgende Schulabbruch nur richtig zu verstehen, wenn man die Belastungen kennt, denen Fanta zuvor durch den Lehrer ausgesetzt war. Gleiches gilt für die kriminellen Aktionen, welche die vier Mädchen immer wieder durchziehen müssen, um Para zu machen – Geld für sich, ihre Zukunft, ihre Familien aufzutreiben, in einer Gesellschaft, die ihnen von vornherein keine faire Chance gibt. Para – Wir sind King ist harter Stoff und konfrontiert die privilegierteren unter den Zusehenden mit der Nicht-Selbstverständlichkeit gesellschaftlicher Akzeptanz, materieller Sicherheit und unantastbarer Menschenwürde. Dabei ist die Serie aber auch spannend, witzig, elegant und lebendig – ein echtes Vergnügen.

1. Cobra Kai (Netflix)

Der Dauer-Fanliebling aller Kinder der 80er und 90er ging 2024 in die finale sechste Staffel (unnötigerweise auf drei Teile verteilt). Obwohl das Ganze insgesamt natürlich spürbar in die Länge gezogen wird und sich damit die immer selben Narrative wiederholen, ist gerade in der sechsten Staffel auch wieder alles dabei, was uns trotzdem begeistert dranbleien lässt: Action, Humor, Selbstreferenzen und 80er-Nostalgie. Über Cobra Kai habe ich schonmal hier auf dem Blog geschrieben und im Frühjahr 2025 – passend zur Veröffentlichung des letzten Teils der letzten Staffel – erscheint in einer Zeitschrift ein längerer Text von mir zum Thema, der dann auch hier verlinkt werden wird. In diesem Sinne: Cobra Kai Never Dies!

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