Die auf Hippokrates (460-370 v. Chr.) zurückgehende Viersäftelehre (auch Humoralpathologie genannt) bildet die Grundlage einer der ältesten Persönlichkeitstheorien überhaupt. Hippokrates nahm an, dass die Gesundheit und Funktionsweise des menschlichen Körpers durch vier Körpersäfte (Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle) gesteuert wird.
Die Lennisters sehen Krisen als Herausforderungen und haben stets die Hoffnung, am Ende zu triumphieren und die eigene Position verbessert zu haben. Gerade diese Eigenschaften finden sich auch bei Tywin. Er scheint vor nichts Angst zu haben und aus jeder Situation seinen Vorteil ziehen zu können. Auch er ist ein stolzer Löwe und brüllt gerne und laut um seinen Ruf zu festigen. Allerdings ist er dabei weniger heiter und offen gegenüber den Freuden des Lebens, als seine Söhne, und in diesem Punkt weniger typisch sanguinisch. Hier zeigen sich bei Tywin auch cholerische Züge. Insgesamt scheint das sanguinische Temperament nur den männlichen Lennisters eigen zu sein, denn Cersei hat eher melancholische Charakterzüge.
Choleriker gelten als kühn, reizbar und unberechenbar. Wir benutzen den Begriff noch heute, um Menschen zu charakterisieren, die unbeherrscht sind und bereits bei Kleinigkeiten aus der Haut fahren können. Das Element der Choleriker ist das Feuer: heiß, schwer zu beherrschen und von großer zerstörersicher Kraft. Wir finden cholerische Charakterzüge bei fast allen bekannten Mitgliedern des Hauses Targaryen, die auch das Feuer in ihrem Wahlspruch „Feuer und Blut“ tragen. Aegon der Eroberer, der irre König Aerys, Viserys und auch Daenerys zeichnen sich allesamt durch hohe Impulsivität und verheerende Wutanfälle aus (einzig Rhaegar könnte von etwas milderem Gemüt gewesen sein).
Der Wahlspruch der Baratheons ist „Unser ist der Zorn“, aber der Zorn ist selten ein cholerischer (wie der Zorn der Targaryens), sondern vielmehr ein stiller, verbitterter und resignierter. Die Baratheons kämpfen nicht, um etwas zu gewinnen (wie die Lennisters), sondern nur noch um ihre Kränkungen zu sühnen. Die Hoffnung auf ein besseres Leben haben sie aufgegeben, es geht im Krieg nur noch darum, den Feind den eigenen Schmerz fühlen zu lassen. In ihrem Wappen tragen die Baratheons den Hirsch, der dem Melancholiker schon in der Viersäftelehre zugeordnet wird. Er ist stolz und majestätisch, aber auch scheu und verletzlich und ein leichtes Opfer für Raubtiere wie Löwen, Wölfe und Drachen.
Phlegmatiker gelten allgemein als antriebslos, langsam, passiv und stur, aber auch besonnen und verlässlich. Diese Eigenschaften kennzeichnen vor allem die Oberhäupter des Hauses Stark. Sie sind plichtergeben und genügsam, ohne hochtrabende Ziele und besonderen Ehrgeiz. Ihre Herrschaftsinteressen erschöpfen sich an den Grenzen des Nordens. Eddard zwingen nur sein Pflichtbewusstsein und seine Loyalität gegenüber König Robert, sich in die Politik der Hauptstadt einzubringen. Und Robb strebt als einziger König nicht nach dem eisernen Thron, sondern kämpft wiederum nur aus Pflichtbewusstsein und Loyalität gegenüber seinem getöteten Vater. Beide sind einerseits zögerlich und wägen Entscheidungen lange ab, was ihre Verbündeten und Gefolgsleute zum Teil irritiert und verärgert. Andererseits sind sie, ist die Entscheidung einmal getroffen, stur und unnachgiebig und nehmen dafür jedwede Konsequenz schicksalsergeben in Kauf.
Den Phlegmatikern wird der Winter zugeordnet, den die Starks in ihrem Wahlspruch tragen: „Der Winter naht“. Als einziger Wahlspruch der großen Häuser von Westeros kündet dieser nicht von der Stärke oder Tugend seines Herrschergeschlechts, sondern benennt eine so allgemeingültige wie unumgängliche Tatsache. Er ist ein Appell an Demut und Gemeinsinn, die Eigenschaften der Starks, denn der Winter ist ein großer Gleichmacher in Westeros und bedroht Könige und Diener aller Häuser gleichermaßen. Die phlegmatische Haltung spricht überdeutlich daraus: Der Winter kommt, Du kannst ihm nicht entkommen und nicht gegen ihn ankämpfen, sondern ihn nur stoisch erdulden und bestenfalls überleben.
Die Menschen (in unserer Welt und in Game of Thrones) lassen sich nicht in vier starre Kategorien einteilen und der menschliche Charakter wird nicht von Körpersäften geprägt. Aber wir alle kennen Menschen mit sanguinischen, cholerischen, melancholischen und phlegmatischen Charakterzügen und wir alle finden diese Tendenzen in unterschiedlicher Ausprägung in uns selbst wieder.
Was zu der Frage führt: Zu welchem Haus gehörst Du?!
Ein Kommentar
Vielen Dank! Vielleicht noch anzummerken wäre, dass die Viersäftelehre als beliebtes literarisches Stilmittel und Ordnungsprinzipg bis heute sehr einflussreich und lebendig ist – so spielt sie z.B. in Harry Potter eine entscheidende Rolle, wo sie zusammen mit den 4 Elementen den 4 Häusern entspricht (Gryffindor/Feuer/Gelbe Galle – daher u.a. Harrys Magenprobleme; Slyterhin/Wasser/Schleim – daher ist ihr Gemeinschaftsraum unter dem See; Ravenclaw/Luft/Blut – sie wohnen im luftigen Turm; Hufflepuff/Schwarze Galle/Erde – die Gärtner…).