Breaking Bad: Walter



In Breaking Bad können wir den Aufstieg (und Fall?) des Mittelschicht-Chemielehrers Walter White zum skrupellosen Drogendealer mit dem Pseudonym Heisenberg verfolgen. Die Handlung setzt ein, als Walter ein inoperabler Lungenkrebs diagnostiziert und eine Restlebenszeit von wenigen Jahren prognostiziert wird.

Über Walters Leben vor der Diagnose erfahren wir nur wenig. Offenbar war er einst ein äußerst begabter Chemiker, kreativ, wissbegierig und dadurch erfolgreich. Bis zu seinem fünfzigsten Geburtstag, an welchem er die Krebsdiagnose erhält, scheint er jedoch den Großteil seiner Vitalität eingebüßt zu haben. Was passiert ist, wissen wir nicht. Wahrscheinlich nur der Alltag und das Alter.

Als wir Walter kennenlernen, weist er die diagnostischen Merkmale einer Dysthymia(ICD-10: F34.1) auf, einer chronischen subdepressiven Verstimmung. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass die Symptomatik nicht so stark ausgeprägt ist, wie bei einer manifesten depressiven Störung, dafür aber über mindestens zwei Jahre konstant oder wiederkehrend anhält. Bei Walter lassen sich die folgenden charakteristischen Symptome beobachten: 

  • Antriebslosigkeit
  • Geringes Selbstvertrauen
  • Verlust der Freude an Sexualität
  • Sozialer Rückzug
  • Verminderte Gesprächigkeit
Dies ändert sich jedoch schlagartig, als Walters deprimierende Alltagsroutine durch die katastrophale Krebsdiagnose erschüttert wird: Umgehend fasst er den Plan, Crystal Meth zu kochen und zu verkaufen, um Geld für seine Familie aufzutreiben.
Doch diese relativ rationale Ausgangsmotivation kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass dem eine plötzliche und fundamentale Veränderung von Walters Erlebens- und Verhaltensweisen zugrunde liegt: Der ehemals, im Rahmen seiner Dysthymia, überangepasste, stille und unterwürfige Walter neigt jetzt auf einmal zu Wutausbrüchen und impulsiver Aggressivität, ebenso wird eiskaltes kriminelles Kalkül sichtbar. Die depressive Stimmungslage schlägt in umtriebige Vitalität und aggressive Gereiztheit um, Antrieb und Libido sind gesteigert, der Selbstwert wirkt plötzlich erhöht, Empathie und soziale Anpassung sind verschwunden. Auffallend ungerührt begeht Walter nun Verbrechen, lügt, bricht Regeln und Versprechen, greift zu körperlicher Gewalt und psychologischer Manipulation.

Eine derart auffallende Veränderung der Erlebens- und Verhaltensweisen in direktem Zusammenhang mit einer starken psychosozialen Belastungssituation wird in der Psychopathologie als Anpassungsstörung bezeichnet. Da Walter überwiegend Symptome aus dem dissozialen Spektrum zeigt (Missachtung sozialer Normen, Empathielosigkeit), ist eine Anpassungsstörung mit vorwiegender Störung des Sozialverhaltens (ICD-10: F43.24) zu diagnostizieren.
Wie lässt sich nun diese massive Symptomverschiebung erklären? Wie wird aus einem depressiven Spießer quasi über Nacht ein gewalttätiger Drogendealer? Um das zu verstehen, müssen wir uns eingehender mit Walters Persönlichkeit und ihrer Psychodynamik befassen.
Der junge Walter, wir lernen ihn in einer Rückblende kennen, ist ein energischer, charismatischer und begabter Wissenschaftler. Er erzielt erste Erfolge, die ihn seiner überdurchschnittlichen Intelligenz und Begabung versichern. Die Welt steht ihm offen und er weiß das.
Doch die Welt bleibt Walter viel schuldig: der akademische Ruhm ist flüchtig und bleibt schließlich ganz aus. Weniger Begabte machen die großen Karrieren. Die verwöhnten Highschool-Kids, die er schließlich als Chemielehrer unterrichtet, respektieren ihn und seine Kenntnisse nicht. Ihre offene Geringschätzung wird ein Quell ständiger Kränkung. Wenngleich ihm die meisten intellektuell nicht gewachsen sind, steht nun ihnen die Welt offen, während er zum zuschauen verdammt ist.
Auch privat bleibt das große Glück aus. Attraktion und Erotik werden im Alltag des Ehelebens zerrieben, der Stammhalter ist behindert, sozial isoliert und zeigt kein Interesse daran, die hochfliegenden Träume des Vaters stellvertretend zu leben.
All dies, inklusive des entwürdigenden Zweitjobs als Autowäscher und der Angebereien seines Schwagers, der sich als männlich-kerniger Super-Drogenfahnder inszeniert, scheint Walter über Jahre hinweg geduldig zu ertragen: Er ist ein bescheidener Mann. Es könnte schlimmer sein.

Doch die früheren Träume von Großartigkeit, Einfluss und Anerkennung sind nicht einfach ausgelöscht, sie sind lediglich ins Unbewusste verdrängt worden, um den deprimierenden Alltag nicht durch Gedanken, wie alles hätte werden können, noch unerträglicher zu machen.
Die narzisstischen Fantasien über die eigene Person, wie und wer man selbst sein könnte, wenn nur die Umstände perfekt und die eigenen Schwächen besser unter Kontrolle wären, nennt die Psychologie Größenselbst. Es hat die Aufgabe, der heranwachsenden Persönlichkeit die Angst vor der großen, weiten Welt zu nehmen, indem sie beeinflussbar, ja beherrschbar wirkt, und dadurch Entwicklung zu ermöglichen. Auch schützt das Größenselbst das Ich vor allzu großen Selbstzweifeln und Resignation angesichts der alltäglichen Kränkungen und Insuffizienzen.
Walters Größenselbst ist zwar tief ins Unbewusste verdrängt, doch dort wartet es, lauert. Während das Bewusstsein Kränkung um Kränkung stoisch einsteckt, wächst das unbewusste Größenselbst kompensatorisch umso mehr. Geltungsdrang, Rachegelüste, hedonistische Bedürfnisse werden zugunsten der emotionalen Abstumpfung, die den Alltag erträglich macht, ins Unbewusste verschoben und nähren dort das Größenselbst.
Und dessen Stunde schlägt schließlich: Die erschütternde Diagnose ist die ultimative Kränkung, die finale Ungerechtigkeit. Das Leiden, Ertragen, Funktionieren werden nicht belohnt, es wird kein Happy End geben, die fetten Jahre folgen nicht mehr, nach den vielen dürren soll einfach Schluss sein. Walters psychische Überlebensstrategie ist gescheitert.

Die zu erwartende Konsequenz, nach der initialen Schockstarre, wäre der völlige Zusammenbruch: Verzweiflung, Resignation, Depression, vielleicht Suizid. Doch anstelle der totalen Depression, tritt das lange verdrängte Größenselbst. Verzweiflung und Hilflosigkeit werden jetzt verdrängt, um den Zusammenbruch zu verhindern. Das Ich kämpft mit allen Mitteln ums Überleben. Vom Tode bedroht, schwingt sich Walter selbst zum Herrn über diesen auf. Seine eigene, akute Sterblichkeit wird verleugnet, von Behandlungsoptionen will er nichts wissen. Im Mord an seinen Kontrahenten im Drogenbusiness ist er es, der den Tod beherrscht. Warum Walter White, der Langweiler mit dem deprimierenden Leben und dem unwürdigen Tod sein, wenn man Heisenberg sein kann, gottgleiches Genie, Nobelpreisträger – oder Drogenbaron.

Das Leben, die Gesellschaft, sie haben Walter White nichts geschenkt – Heisenberg schuldet ihnen nichts.

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Dexter: Dexter

Dexter Morgan, der sympathische Serienkiller aus dem sonnigen Miami – man muss ihn einfach mögen.
Dexter ist forensischer Blutspurenspezialist bei der Mordkommission der Polizei von Miami. Er ist der nette, harmlose, in seiner scheinbaren Schüchternheit irgendwie charmante Labornerd, der die Kollegen mit Donuts und genialen forensischen Analysen beglückt. Sogar eine Freundin mit zwei süßen Kindern hat er sich zugelegt, um die er sich rührend geduldig und verständnisvoll kümmert.
Nachts jedoch treibt es ihn immer wieder hinaus in die düsteren Winkel Miamis und der Conditio Humana, wo er seine Opfer aufspürt und ermordet. In der Regel handelt es sich dabei um Menschen, die aus niederen Motiven selbst gemordet haben und von der Justiz nicht belangt werden konnten. Dexters Antrieb ist aber nicht Selbstjustiz im Dienste der Gerechtigkeit, sondern ein innerer, unstillbarer Drang zu töten, dem er nicht dauerhaft widerstehen kann und den er durch die gezielte Auswahl seiner Opfer lediglich in vermeintlich richtige Bahnen zu lenken versucht. Dies hat zur Folge, dass er selbst wiederholt Ermittlungen sabotiert, um die dann entkommenen oder entlasteten Täter selbst zur Strecke bringen und sein Verlangen stillen zu können.

Dexters Drang zu morden begleitet ihn bereits seit der Kindheit und war offenbar niemals über längere Zeit erloschen. Dabei ist er durchaus in der Lage, die Umsetzung für einige Zeit aufzuschieben, zum Beispiel um nach einem geeigneten Opfer zu suchen oder eine günstige Gelegenheit abzuwarten. Dadurch wächst jedoch seine innere Anspannung und es fällt ihm immer schwerer, sich zurückzuhalten. Seine Gedanken engen sich zunehmend auf das Töten ein, bis es ihm kaum noch möglich ist, sich auf anderes zu konzentrieren, um in seinem Alltag zu funktionieren. Mit der Zeit hat er ein festes Ritual entwickelt, das er bei der Tötung seiner Opfer zumeist rigide befolgt und dessen Einhaltung einen maßgeblichen Teil seiner Befriedigung und Erleichterung durch das Morden ausmacht. Wenngleich Dexter seinen Drang als „dunklen Begleiter“ bezeichnet, ist er sich doch im Klaren darüber, dass er aus seinem Inneren, seiner eigenen Psyche entspringt und nicht etwa auf mystische oder magische Weise von außen eingegeben ist. Ebenso realisiert Dexter, dass sein Verhalten extrem ist und von fast allen anderen Menschen nicht akzeptiert, geschweige denn verstanden werden würde. Dexter ist nicht in der Lage, das Morden aufzugeben, wenngleich er dadurch immer wieder in extrem bedrohliche Situationen gerät: Mehrfach steht er kurz davor, erwischt zu werden, was in Florida die Todesstrafe bedeuten würde. Auch Personen die ihm nahe stehen, werden durch seine Aktivitäten gefährdet, mitunter sogar getötet. Nicht zuletzt ist er durch sein Doppelleben permanent extremem Zeitstress und chronischem Schlafmangel ausgesetzt.

Damit können wir Dexter eine Zwangsstörung, bei der Zwangshandlungen, sogenannte Zwangsrituale, im Vordergrund stehen (ICD-10: F42.1), diagnostizieren. Diese ist durch die folgenden Kriterien definiert:

  • Zwangsgedanken und/oder Zwangshandlungen treten über einen Zeitraum von mindestens zwei Wochen an den meisten Tagen auf
  • Sie werden als Produkte des eigenen Geistes erkannt und nicht als von Personen oder äußeren Einflüssen eingegeben betrachtet
  • Sie treten wiederholt auf, werden als unangenehm und zumindest teilweise unangemessen erlebt
  • Der Betroffene versucht, sie zu unterdrücken. Mindestens ein Zwangsgedanke oder eine Zwangshandlung kann nicht erfolgreich unterdrückt werden
  • Die Zwangshandlung ist an sich nicht angenehm (dies ist zu unterscheiden von einer vorübergehenden Erleichterung von Anspannung oder Angst)
  • Die Zwangsgedanken oder Zwangshandlungen verursachen Beschwerden oder soziale Probleme
Im Verlauf der Serie erfährt Dexter (und mit ihm der Zuschauer) immer mehr über seine Vergangenheit. Er findet heraus, dass er im Alter von drei Jahren Zeuge des extrem sadistischen Mordes an seiner Mutter wurde, was er fortan als Ursache seiner psychischen Störung ansieht. Wir können jedoch davon ausgehen, dass bei deren Manifestation zumindest zwei weitere Faktoren eine wichtige Rolle gespielt haben:
Erstens war Dexters Mutter akut drogenabhängig. Dies, sowie ihr krimineller Umgang und die Affäre mit einem verheirateten, notorisch fremdgehenden Polizisten, für den sie gleichzeitig als Informantin tätig war, sprechen für eine nicht allzu gefestigte psychische Struktur. Folglich dürften Dexters frühe Beziehungserfahrungen oftmals verwirrend, ängstigend, enttäuschend und verunsichernd gewesen sein, weshalb wir annehmen können, dass seine psychische Struktur zur Zeit des Traumas bereits fragiler und somit störungsanfälliger war, als die von durchschnittlichen Dreijährigen.
Zweitens wurde Dexters Verarbeitung des traumatischen Erlebnisses über Jahre hinweg von seinem Ziehvater Harry, einem Cop alter Schule, geprägt. Dieser enthielt ihm psychotherapeutische Hilfe vor und vermittelte ihm stattdessen sein klassisch dichotomes Verständnis von gut und böse. Unablässig betrieb er die Abspaltung des traumatisierten Anteils als böses „Monster“, welches in Dexters Innerem lauern und in Form des Drangs zu töten an die Oberfläche drängen würde. Er hielt dieses Monster für nicht kontrollierbar und sah somit die einzige Möglichkeit der Schadensbegrenzung für Dexter und die Allgemeinheit darin, den Impuls wenigstens auf die, aus seiner Sicht, richtigen Opfer zu lenken.
Wir dürfen annehmen, dass Harry damit auch eigene Fantasien, die Bösen jenseits gerichtlicher Bürokratie gerecht bestrafen zu können, auf Dexter projizierte.
Dadurch blieb Dexter die Möglichkeit, seine Gefühle und Impulse besser zu verstehen und dadurch das Trauma adäquat zu verarbeiten, verwehrt. In einer Therapie hätte er lernen können zu begreifen, dass durch den brutalen Mord an seiner Mutter seine kindliche Welt in ihren Grundfesten erschüttert wurde. Nichts konnte mehr als sicher gelten. Seine eigene Existenz, sowie alles was er liebte und brauchte, waren in einer Welt, in der etwas so schreckliches geschehen konnte, fundamental bedroht.

Diese Wahrnehmung kann die Seele eines Dreijährigen nicht verkraften, weshalb Dexters Psyche verschiedene Abwehrmechanismen einsetze um ihre Funktionalität irgendwie aufrecht zu erhalten: Erstens spaltete Dexter die Erinnerung an das Trauma über viele Jahre komplett ab, verdrängte das Erlebnis ins Unbewusste. Zweitens, quasi als Schutz vor eventuell doch ans Licht kommenden Erinnerungen, identifizierte sich Dexter unbewusst mit der einzigen Person, die angesichts der unfassbaren Gewalttat nicht um ihr Leben fürchten musste: Dem Mörder.





Das Dilemma, dass die einzige Sicherheit gebende Identifikationsfigur gleichzeitig auch zutiefst ängstigend und verhasst war, wurde durch eine nur unvollständige, gleichsam widerwillige Identifikation gelöst. Psychoanalytiker sprechen von einem „Täterintrojekt“: Dexter nimmt selbst die Rolle des Mörders ein und kann somit (gefühlt) nicht mehr zum Opfer werden.
Gleichzeitig erlebt er den Impuls zu morden aber als etwas störendes, falsches, eigentlich nicht zu ihm passendes. Er legt größten Wert darauf, sich von den anderen Mördern, die Unschuldige umbringen, zu unterscheiden und bringt sie, stellvertretend für den nicht internalisierten Teil des Mörders seiner Mutter, immer wieder um.

Dexter wurde also Opfer, machte sich, um die Opferrolle zu verlassen, selbst zum Täter, und vermeidet die Schuldgefühle eines Täters, indem er die Schuld auf andere Täter projiziert, die er dann zu gerechten Opfern macht.
Die Komplexität dieser Abwehrkonstruktion lässt bereits vermuten, dass das nie lange gut gehen kann. Und tatsächlich, nach jedem Mord dauert es nicht lange, bis der Zwang sich wieder meldet und unaufhaltsam auf Umsetzung drängt. All die verdrängten Gefühle (Angst vor der Destruktivität der Welt, Trauer um die Mutter, Hass auf deren Mörder, Schuldgefühle wegen der eigenen Täterschaft…) drängen ins Bewusstsein und drohen, Dexters sensibles psychisches Gleichgewicht zu zerstören, was ihn immer wieder dazu zwingt, dieses wieder in Ordnung zu bringen.
In seinem Tötungsritual wird das eindrucksvoll deutlich: 

  • Der ganze Raum wird sorgfältigst mit Plastikfolie ausgekleidet: Das Morden ist hier sauber, fast ein Akt der Reinigung, schmutzig sind die anderen Mörder – nicht Dexter. 
  • Vor ihrem Tod werden die Opfer mit den Opfern ihrer eigenen Gräueltaten konfrontiert: Dem Bösen wird damit ein fester Ort zugewiesen. Es ist im Anderen zu Hause, nicht bei Dexter. 
  • Dexter behält von jedem Opfer einen Blutstropfen auf einem Objektträger, welche er, fein säuberlich geordnet, in seiner Wohnung aufbewahrt: Das Opfer wird damit zur Fallnummer, zu einem Stück DNS unter vielen, somit entmenschlicht. Dexter ist ein Sammler, ein Wissenschaftler, so einer ist nicht wirklich böse. Brutale Mörder, und damit schuldig, sind die Anderen. 
Dexter selbst sieht sich (durch Harry dahingehend indoktriniert) als hoffnungslosen Fall. Der Kreislauf aus Zwangsgedanken, Mord, Erleichterung und erneutem Aufkommen der Zwangsgedanken wird solange weitergehen, bis er eines Tages gefasst und für seine Taten gerichtet wird. Davon geht Dexter, zumindest zu Beginn der Serie, fest aus.
Als Zuschauer haben wir allerdings durchaus Grund zur Hoffnung: Dexter verlässt zunehmend seine resignativ selbstgewählte innere Isolation. Die Bindungen, die er zunächst nur als Fassade eingegangen ist, lassen ihn nicht unberührt. Er entdeckt warme, emotionale Seiten in sich (dem vermeintlichen Monster) und dunkle, verborgene Seiten in den (vermeintlich guten) anderen, welchen er sich dadurch doch hin und wieder zugehörig fühlen darf.
Es beginnt eine schrittweise Ablösung von Harrys simplifizierender Ideologie, die er zunehmend nicht mehr als seine eigene betrachtet, sich aber auch noch nicht vollständig von ihr lösen kann, was sich in Form von halluzinierten Zwiegesprächen mit dem verstorbenen Harry niederschlägt: Dexter sieht Harry, hört seine Stimme und erlebt die darin geäußerten Gedanken als Harrys, nicht als seine eigenen.
Diese Symptome rechtfertigen zwar die Diagnose einer Paranoiden Schizophrenie (ICD-10: F20.0). Da uns aber weder Hinweise auf frühere schizophrene Episoden vorliegen, noch ein kognitiver oder motorischer Abbau erkennbar wäre, ist die Prognose günstig.
Wir können davon ausgehen, dass Dexter sich auf diese Weise nach und nach von Harry, seinen Zuschreibungen und Lösungsstrategien verabschiedet.
Und wir dürfen hoffen, dass er sich eines Tages vielleicht auch von seinem Zwang lösen und die Komplexität seiner Gefühle und Persönlichkeitszüge mithilfe realer zwischenmenschlicher Beziehungen zulassen und aushalten kann.
Bis dahin wünschen wir uns nichts sehnlicher, als dass der liebenswürdige, zigfache Serienkiller auch weiterhin ungeschoren davonkommt.
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